Bianca Krause und Jörg Becker über Identität als Faktor für Resilienz.

Identität, Kultur- und Geschichtsbewusstsein als Faktor für Resilienz

Aus ihrer intensiven Beschäftigung mit der Geschichte der Ukraine stellte Bianca Krause in ihrem Vortrag auf dem Zukunftsforum dar, wie “Kultur und Geschichtsbewusstsein als Faktor der Resilienz” einer Gemeinschaft dienen können.
Sie beschrieb dabei wie wichtig das Ausbilden einer Identität sei, und wie die imperiale Strategie Russlands im Verlauf der Geschichte bis heute gezielt die eigene Identität unterdrückter Völker angriff.

Jörg Becker spannte den Bogen zu den Angriffen auf Europäische Werte und Identität, wenn beispielsweise bei uns von pro-russischen Akteuren nationalistische Zerrbilder unserer Identität befördert werden.
Ein Lösungsansatz den auch die Ukraine verfolgt, sei: sich der positiven Aspekte eigener Geschichte, Kultur und Identität bewusst zu werden und diese zu fördern.

Identität und Selbstwert seien wichtige Faktoren für Resilienz, für Personen und Gesellschaften. Dabei solle nationale Identität weniger politisch und ausgrenzend gesehen werden, sondern als gemeinsame Erinnerung einer Gruppe verstanden werden.
Wesentlich sei hierbei das kulturelle Gedächtnis.

Daher seien Geschichte und Kultur ein wichtiges Angriffsziel Russlands bei dem Versuch, die nationale Identität anderer Völker zu unterdrücken.

Verzerrung des Separatismus-Begriffs im Donbas

Als Beispiel nennt Krause den Begriff des Separatismus in Bezug auf die Ostukraine. Ging von dort 1991 das Streben der Ukraine nach Unabhängigkeit aus, inszenierte und beförderte Russland 2014 genau dort einen „Separatismus“ zur Spaltung der Ukraine. Genauso sei 2014 auch der Maidan, der ein Ausdruck des Wunsch vieler Ukrainer nach Selbstbestimmung war, von Russland als vom Ausland gesteuerter Putsch verleumdet.

Wichtig bei Russlands Angriffen auf Identität sei das Märchen von der überlegenen russischen Kultur, das in anderen Gesellschaften eingepflanzt werden solle. Dies führe auch zu einer verzerrten Wahrnehmung Russlands im Westen.

Als historische Vorbilder für den Angriff au die nationale Identität der Ukraine nannte Krause Vertreibungen in der Sowjetzeit und den Holodomor. Damals sei die Deportation unterdrückter Völker und Minderheiten ein Mittel zur Zerstörung deren Identität vollzogen worden.

Auch im heutigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine würden Deportationen der ukrainischen Bevölkerung durchgeführt. Hier würde an historische Repressionsmethoden angeknüpft.

Ein wichtiges Element sei auch wieder Hunger als Waffe, was seit 2014 in den von Russland besetzten Gebieten durchgeführt werde: nur wer russisch werde, bekäme Zugang zu Nahrung und Medikamenten.

„Werde russisch oder stirb.“

Russische Repressions-Methoden in besetzten Gebieten

Jörg Becker erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass diese Besatzungsmethoden Russlands Krieg keinen return of investment brächten: wenn die lokale Bevölkerung verhungere, könne sie nicht als Sklaven genutzt werden. Russland ginge es nicht um mögliche Erträge, sondern allein um Zerstörung zur Dokumentation eigener imperialer Macht und Größe.

Angriff auf europäische Werte

Das Streben der Ukraine nach westlichen Werten und Strukturen werde von Russland als gefährliche Alternative zu eigenen Unterdrückungsapparaten gesehen. Überhaupt werden europäische Werte vom russischen Regime als Gefahr angesehen und bekämpft.

Um europäische Werte anzugreifen, würden Zerrbilder europäischer Identität konstruiert und verbreitet, wie das des blonden, blauäugigen „echten“ Deutschen. Dies Ziele darauf, die Gesellschaft beim Thema Integration und Zuwanderung zu spalten, habe aber für die Menschen tatsächlich keine Praxistauglicheit.
Als Beispiel nannte Becker die Angstmacherei mit Begriffen wie „woke“, für die es keinerlei Alltagsbezug gebe. Hier würde Russland -im Sinnbild von Stephen Douglas – mythische Trolle in unseren Köpfen aufbauen, um damit wichtige zivilisatorische und ethische Werte wie Fairness und Solidarität anzugreifen.

Wie können diese russische Angriffe auf Identität abgewehrt werden?
Die Ukraine setzt auf Entwicklung eines Bewusstseins für Sprache, Kultur, eigene Traditionen. Sie Entwickelt neue Visionen, konzentriert sich auf Schutz und Wiederaufbau eigener Denkmale und Institutionen.
Was aber auch passiere: der russische Angriff auf die ukrainische Identität schweiße die ukrainische Gesellschaft zusammen und führe zu mehr Resilienz.
Zusammenfassend bleibe festzustellen, dass der Angriff auf die Identität anderer Völker der Kernpunkt des russischen Imperialismus sei.

Eine Zuschauerin des Zukunftsforum forderte eine differenzierte Betrachtung der Ereignisse im Donbas, und betonte, man solle Russlands Verhalten gegenüber der Ukraine als Chauvinismus bezeichnen. Jörg Becker wies auf eine „russische Linse“ bei westlicher Betrachtung von Kultur und Wissenschaft Osteuropas hin.
Eine weitere Zuschauerin erklärte, die genannten Faktoren beträfen auch uns in Deutschland. Wichtig sei auch zu erkennen, dass die russischen Deportationen von ukrainischen Kindern als Backup für spätere Russifizierung dienen könnte, falls die Ukraine sich im Krieg durchsetzen sollte. Es dürfe auch nicht übersehen werden, wie russische Vereine in Deutschland auf eine Beeinflussung hin zu einer russischen Perspektive hinwirkten.


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