Grit Friedrich- Trauma russischer Besatzung, Methoden russischer Propaganda in Ostdeutschland

Strategien russischer Propaganda in Ostdeutschland – Missbrauch von Traumata

Die DDR-Bürgerrechtlerin Grit Friedrich beschäftigt sich in ihrem Vortrag auf dem Zukunftsforum Dresden mit der Frage: Woher kommt die vermeintlich hohe Russland-Affinität in Ostdeutschland? Im Gegensatz zu anderen ehemaliges Ostblockstaaten, in denen heute ein deutlich kritischeres Russland-Bild verbreitet ist.

Auslöser für den Vortrag war eine starke Resonanz auf Gesprächsrunden auf X/Twitter vor einigen Monaten, in der Bürger aus beiden Teilen Deutschlands starke Betroffenheit und Interesse an diesen Fragen zeigten.
Friedrich sieht die Nachkriegszeit gerade in Ostdeutschland für viele Menschen geprägt von eine Folge von traumatischen Erlebnissen, die jeweils in Folge nicht verarbeitet werden konnten:
– Schrecken und eigene Schuld des 2. Weltkriegs
– Gräuel der sowjetischen Besatzung unmittelbar nach dem Krieg
– die DDR-Diktatur mit Sprachverboten und teilweise Entwurzelung von Kindern aus ihren Familien
– die Umbrüche der Wendezeit und der Wiedervereinigung.
Oft war es in der jeweiligen Folgezeit nicht möglich, über erlebte Traumatisierungen zu sprechen und sie zu verarbeiten. Grit Friedrich hält in dem Zusammenhang Forschungen zum Thema „transgenerationale Traumatisierung“ für relevant.

Übertragung von unverarbeiteten Traumata

Schwere Trauma, die nicht verarbeitet werden, können unbewusst an nachfolgende Generationen weiter gegeben werden.
Hier sieht sie eine problematische Beziehung zur UdSSR, die in der DDR eine Rolle als Lehrmeister und Übervater angesichts der deutschen Schuld annahm.
Daraus sei ein ein Gefühl unbestimmter Ängste entstanden, das sich auf Russland nach 1991 übertrug.
Und diese unterbewussten Erinnerungsmuster könnten heute von Russland für Propaganda- Narrative wie „Russland ist unbesiegbar, es sollte nicht provoziert werden“ ausgenutzt werden.
Friedrich sieht hier aber auch ehemalige DDR-Bürger in der Verantwortung, mit Selbstreflexion auf die eine Vergangenheit zu schauen. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung sei 1989 im Widerstand gewesen, eine Auseinandersetzung und Aufarbeitung der Vergangenheit habe kaum stattgefunden.
Außerdem habe sich für viele Menschen in Ostdeutschland in der DDR die Frage der eigenen (nationalen) Identität gestellt, die durch die Wiedervereinigung oft nicht befriedigend beantwortet wurde. Dazu schilderte Friedrich eigene Erfahrungen des Wiedervereinigungsprozess, z.B. bei dem „Runden Tisch von unten“, die ihr ein unterschiedliches Verständnis von Demokratie in West- und Ostdeutschland gezeigt hätten.

Deshalb schlägt Friedrich vor, durch vorurteilsfreies Zuhören der gegenseitigen Lebensgeschichten in Ost und West Verständnis für das Erlebte zu schaffen, und damit an einer gemeinsame deutschen Identität zu arbeiten. Ein Vorbild dafür könnte das Freiheitsbild in Mittel- und Osteuropa sein. Der Wert der Freiheit sei Selbstbestimmung, und nicht nur Wohlstand.

Lebhafte Debatte

Friedrichs Vortrag regte eine lebhafte Debatte an.
So wurden unterschiedliche Erfahrungen mit dem Bild der UdSSR in der DDR geschildert. Bestimmend sei jedoch eine Dominanz der russischen Kultur in der Bildung gewesen, z.B. das Erlernen der russischen Sprache.
Außerdem gab es die Anmerkung, dass Traumatisierungsprozesse nicht hinreichend erklären könnten, wieso in Ostdeutschland rechtextreme politische Einstellungen stärker verbreitet seien. Neben tradierten politisch rechten Haltungen wurde auch der Zuzug rechtextremer aus Westdeutschland thematisiert, die gerade den „rechtsfreien“ Raum in der Nachwendezeit ausgenutzt hätten, um in Ostdeutschland Fuß zu fassen.
Eine weitere Frage wurde zum wechselhaften Verhalten des sächsischen Ministerpräsidenten Kretschmer zum Thema Russland und Ukraine gestellt. Hier vermutet Friedrich ein taktisches Verhalten und den Versuch, rechte, russlandaffie Wählergruppen anzusprechen.
Friedrich appellierte dafür, auch diese Bevölkerungsteile in Ostdeutschland nicht aufzugeben.

Freiheitsgefühl als Rausch

Im Anschluss beschrieb ein Zuschauer das Freiheits-Gefühl der Wende wie einen Rausch, auf den ein Kater folgte. Viele Ostdeutsche hätten nach der Wiedervereinigung „die Schnauze voll“ von Politik und Parteien gehabt. Auch er stellte die Wichtigkeit heraus, die Lebenssituation in der DDR heute deutlich zu beschreiben, insbesondere die damalige Indoktrinierung und Gehirnwäsche.

Das Arrangieren mit dem Obrigkeitsstaat wurde von einem weiteren Besucher thematisiert. Problematisch seien auch die Ungerechtigkeiten mit Wendegewinnern und -verlieren gewesen. Wichtig sei auch der damit verbundene Vertrauensverlust in Institutionen. Es gäbe eine Wahrheitskrise – und das sei ein Angriffspunkt für Desinformation und Propaganda.
Zum Abschluss wies eine Zuschauerin auf die langen rechtsextremen Traditionen in Ostdeutschland hin. Für sie persönlich sei außerdem auffallend gewesen, dass Lehrer an ihrer Schule lange nach der Wende noch eine SED-Indoktrinierung der Schüler versuchten.

Grit Friedrich hat den Vortrag in ausführlicherer Form und in englischer Sprache auf der Piraten-Sicherheitskonferenz im Februar 2024 gehalten.
https://events.pirate-secon.net/speakers-2/grit-friedrich/


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